#DigitalesSemester

Das Sommersemester 2020 wird ein digitales Semester. Doch während das Lernen und Lehren in einer Ausnahmesituation passiert, soll das Semester trotzdem normal gezählt werden. Warum ich für ein „Flexisemester“ bin, liest du in diesem Beitrag.

Die Universitäten wagen die Rückkehr zur „Normalität“, während dennoch überall noch nichts „normal“ ist. Studierende und Dozierende stehen vor einer monatelangen Herausforderung: Nach einem Kopfsprung in die Welt des E-Learnings müssen sie schauen, ob die Luft reicht, um lange genug unter Wasser bleiben zu können. Denn E-Learning ist anstrengend, es ist anders als Präsenzlehre, man sitzt im Homeoffice statt im Hörsaal, stundenlang vor einem Bildschirm ohne direkten persönlichen Kontakt mit Dozierenden und Kommilitonen. Man kann nur hoffen, dass das eigene Internet stark genug ist, die Server nicht zusammenbrechen und dass alle Beteiligten dem Stress gewachsen sind. Auch Studierende und Dozierende müssen sich möglicherweise um Kinder und Angehörige kümmern. Dozierende sind vielfach nicht mit digitaler Hochschullehre vertraut und bisher höchstens mit einem digitalen Semesterapparat in Kontakt gekommen. Onlinekurse erfordern eigentlich viel Zeit zur Vorbereitung – ich habe gemeinsam mit fünf anderen Menschen über ein Jahr an einem Onlinekurs gebastelt, dessen Teilnehmer*innen ihn in vier Wochen absolvieren. Was ich gelernt habe: E-Learning funktioniert nicht mit den gleichen didaktischen Methoden wie die Präsenzlehre.

Doch neben all den Fragen, wie das digitale Semester funktionieren soll, stellt sich für einige Studierende noch eine viel existenziellere Frage: Wie soll ich meine Miete bezahlen? Während die Bundesländer eine Öffnung des Bafögs für jene fordern, die bisher keine staatliche Unterstützung bekommen haben, aber aufgrund der Covid-19-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sind, lehnt Bundesbildungsministerin Karliczek diese Nothilfe ab. Sie bietet lediglich ein zinsloses Darlehen an, was von der Kultusministerkonferenz allerdings abgelehnt wurde, weil es „keine adäquate Lösung für die Studierenden“ sei, wie der Tagesspiegel schreibt.[1]

Damit einher geht auch die Frage, ob dieses Semester gezählt werden sollte, denn das hat sowohl für Studierende wie Dozierende wirtschaftliche Folgen: ein Semester weniger Bafög oder mehr Langzeitstudiengebühren für die Studierenden und bei den Hochschullehrenden mit befristeten Arbeitsverträgen wirkt es sich auf ihre Höchstbefristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz aus. Sollte das Semester also nicht gezählt werden?

Es sollte auf jeden Fall kein verlorenes Semester sein, aber auch nicht mit aller Gewalt durchgeprügelt werden, denn ich glaube, dass das weder für Lehrende noch Lernende eine Lösung in dieser Krise ist. Die Idee des Flexisemesters erscheint mir unter allen bisher in den Medien und Stellungnahmen verschiedener Akteure präsentierten Vorschlägen als die sinnvollste. Denn sie bietet mehr Flexibilität für alle Seiten. Studierende bekommen die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen zu belegen, Prüfungen abzulegen und Abschlussarbeiten zu schreiben. Gleichzeitig sollte so gut es geht auf die Herausforderungen, in der sich gerade diejenigen Studierenden und Dozierenden mit Kindern oder zu betreuenden Angehörigen befinden, Rücksicht genommen werden. Es werden mit Sicherheit nicht alle Studierenden alle Lernangebote wie in einem regulären Semester annehmen und da manche Sachen online vielleicht einfach nicht oder nur in sehr schlechter Qualität durchgeführt werden können, sollten sich die Wochenstunden insgesamt so reduzieren, dass auch den Dozierenden mehr Flexibilität bleibt. Sollte das widererwarten nicht der Fall sein und befürchten die Dozierenden eine zu hohe Belastung, muss ein Teil des üblichen Lernangebots ausfallen. Damit sich dies nicht übermäßig und vor allem finanziell negativ auf die Studierenden auswirkt, sollte das Semester in der Gesamtstudienzeit nicht gezählt werden. Das sollte auch für die Höchstbefristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz gelten.

Klar ist, dass diese Lösung einen enormen organisatorischen Aufwand darstellt. Ich glaube aber, dass wir nur mit Flexibilität gut durch diese Krise kommen. Niemandem ist geholfen, wenn Studierende und Dozierende ein Semester voll durchziehen und dabei oder danach unter dem möglicherweise zu hohen Druck zusammenbrechen, in Prüfungen schlechter abschneiden oder aufgrund der technischen Bedingungen deutlich schlechtere Lehre geben.

Wir müssen besonders all jene schützen und unterstützen, die es in dieser Krise eh schon am schwersten haben, d.h. vor allem Menschen in Risikogruppen, bereits an Corona erkrankte Menschen, Menschen mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen und Menschen, die sich gerade in finanziellen Schwierigkeiten befinden.

Studierende und Dozierende sollten deshalb auch gegenseitig so viel Verständnis und Rücksichtnahme wie möglich zeigen. An Bundesministerin Karliczek richte ich den dringenden Appell, die beste Lösung für diejenigen Studierenden zu finden, die sich jetzt gerade in einer wirtschaftlichen Notsituation befinden. Sie sollten schnell und unbürokratisch finanzielle Unterstützung erhalten. Und die Universitäten möchte ich hiermit auffordern, so viel Flexibilität wie möglich zu bieten und so viel Kooperation mit anderen Universitäten wie möglich zu zeigen. Lehrveranstaltungen können auch universitätsübergreifend stattfinden. Ideen und Konzepte für E-Learning sollten ausgetauscht und Erfahrungen geteilt werden. Auch wenn im universitären Bereich viel Wettbewerb stattfindet, sollte gerade jetzt Solidarität das Gebot der Stunde sein. #gemeinsamgegencorona

Dieses Semester wird kein normales Semester – egal wie sehr man sich anstrengt, es wird es nicht werden.


[1] https://www.tagesspiegel.de/wissen/bundesbildungsministerin-lehnt-corona-hilfen-ab-streit-um-bafoeg-fuer-studierende-ohne-job/25750418.html [Zugriff am 18.04.2020 09:24 Uhr]

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Sina sagt:

    Genau. Ich sitze hier mit zwei Kindern in Kitaalter und in Schulalter, 6. Klasse. an Schule und Kita ist nicht zu denken. Trotzdem beginnt bald das Semester, an einem Kurs soll bereits vorgearbeitet werden und eine Hausarbeit ist noch offen, da ja weder Bibliotheken offen haben noch Zeit vorhanden ist. Denn ich mutieren zur Alleinunterhalterin und Homeschoolerin. Die Motivation aller ist miserabel da keine genauen Angaben gemacht werden können zu garnichts. Ich besitze übrigens keinen Computer oder Laptop mit Kamera und Mikro und muss jetzt nachrüsten. Wo ich die Kinder allerdings solange „parke“ weiß ich noch nicht. Und schwups hab ich dann ratzefatze schon die nächsten Stex- Prüfungen ohne genau zu wissen wie das ablaufen soll. Das Aspa antwortet auch immer nur pauschal auf Anfragen. Wenn überhaupt. Das wird toll. Wäre auch toll die veränderten Anforderungen zu den Kursen mal kennenzulernen. Wie soll ich da planen. Ein echter Spaß. Die nervliche Belastung ist jetzt schon am Maximum. Mir ist nämlich ganz und gar NIE langweilig.

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    1. Hey Sina🤗
      vielen Dank für den Einblick in das Leben eines Studis mit Kindern. Ich habe das Gefühl, dass das an vielen Stellen nicht genügend berücksichtigt wird und man nennt sich zwar “familienfreundliche“ Uni, aber dann kommen doch viele Sachen zusammen, die ganz und gar nicht familienfreundlich sind. Da muss dringend was geändert werden und jetzt mit dieser außergewöhnlichen Situation erst recht.
      Bevor du einen neuen Laptop kaufst, schreib doch mal der Uni, ob die keine Geräte ausleihen. Ich habe von anderen Unis gehört, dass die das machen.
      Und wenn ich dir ansonsten irgendwie helfen kann, sag mir bitte Bescheid 🙂
      Liebe Grüße und weiterhin viel Kraft
      Sophie

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